B. Kretschmer: Dänemark. Eine Nachbarschaftskunde

Cover
Titel
Dänemark. Eine Nachbarschaftskunde.


Autor(en)
Kretschmer, Bernd
Reihe
Länderreihe
Erschienen
Berlin 2010: Christoph Links Verlag
Anzahl Seiten
224 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Peter Mario Kreuter, Redaktion "Südost-Forschungen", Südost-Institut

Die «Länderreihe» des Ch. Links Verlags hat sich mit Titeln wie «Nordkorea» oder «Überleben in Zürich» einen Namen damit gemacht, nicht nur beliebte Touristenziele vorzustellen, sondern auch ungewöhnliche Destinationen zu berücksichtigen bzw. bekannte Orte einmal anders zu betrachten. Bernd Kretschmer, langjähriger Mitarbeiter der Kgl. Dänischen Botschaft und von 2005 bis 2010 Direktor des (mittlerweile geschlossenen) Dänischen Kulturinstituts in Bonn, legt nun einen Band über den nördlichen Nachbarn Deutschlands vor, der nicht nur eine Nachbarschaftskunde ist, wie sie im Untertitel angekündigt wird, sondern auch eine allgemeine Landeskunde, die insbesondere im universitären Lehrbetrieb Verwendung finden kann.

Zum Teil sind die einzelnen Kapitel eher für Leser, die eine Reise nach Dänemark planen, von Interesse – die dänischen Regeln des Bedankens sind zwar eine eingehende Betrachtung wert (auch in soziolinguistischer Sicht), doch hier von allenfalls marginalem Interesse. Es finden sich aber auch Kapitel, die in das Wesen und Funktionieren der dänischen Staats- und Gesellschaftsstruktur einführen. Dies betrifft nicht nur solch typisch dänische bzw. nordische Institutionen wie den Ombudsmann oder die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates, sondern auch die spezifische Ausformung von demokratischen Institutionen wie dem Parlament oder der Monarchie. Wie es dazu kam, dass eine derart moderne und egalitäre Gesellschaft wie die dänische nach wie vor eine Erbmonarchin als Staatsoberhaupt hat, wird ebenso thematisiert wie die Entwicklung der auf Kompromissen basierenden parlamentarischen Demokratie. Dabei kann der Autor auf eine Expertise zurückgreifen, wie sie kaum ein andere Deutscher haben dürfte, denn in mehr als 30 Jahren im Dienst der dänischen Aussen- und Kulturpolitik kam er nicht nur Kontakt mit einer Vielzahl von Politikern und Entscheidungsträgern, sondern auch mit allen Aspekten des täglichen Lebens.

Wo sich offizielles und alltägliches Dänemark bei Kretschmer verbinden, wird es besonders interessant für den Leser. So beschäftigt sich das Kapitel «Da staunt die Welt – Flexibilität schafft Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum» (S. 114–120) mit der dänischen Flexicurity-Politik, also der Verbindung von hohen Sozialleistungen und fast vollständig fehlender Arbeitsplatzsicherung. Die dänische Wohlfahrtspolitik setzte nämlich von Anfang an nicht auf Kündigungsschutz und Arbeitsplatzgarantien, sondern auf Sicherung des erreichten Lebensstandards im Falle von Arbeitslosigkeit. Dass Dänemark sich wirtschaftlich entwickeln konnte und von grösseren Kampfmassnahmen seitens der Gewerkschaften verschont blieb, liegt in eben jener Politik begründet, die Bernd Kretschmer anschaulich präsentiert.

Historische Themen nehmen ebenfalls einen breiten Raum im Buch ein. Neben einem 40 Seiten langen Überblick über die dänische Geschichte gibt es weitere Kapitel, die einen deutlichen historischen Bezug haben, so die Kapitel über das Königshaus, über Dänemarks Beiträge zur europäischen Kulturgeschichte oder über das «deutsche Gespenst», also Dänemarks Verhältnis zum grossen Nachbarn im Süden. Gerade die kulturhistorischen Beschreibungen dieses Buches sind besonders gelungen und als Grundlagenlektüre für eine universitäre dänische Landeskunde zu empfehlen.

Das Buch von Bernd Kretschmer ist also eine Einstiegslektüre, wie sie sein soll: von einem Fachmann gut geschrieben, faktenreich, dennoch auf das Wesentliche konzentriert. Der Rezensent kann dieses Werk ohne Einschränkung loben.

Zitierweise:
Peter Mario Kreuter: Rezension zu: Bernd Kretschmer: Dänemark. Eine Nachbarschaftskunde. Berlin, Ch. Links Verlag, 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 4, 2011, S. 508-509

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 61 Nr. 4, 2011, S. 508-509

Weitere Informationen
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit